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Motivation
Seit dem Beginn der Massenmotorisierung Ende der 1950er Jahre haben sich Alltagsmobilität und Lebensstile in Deutschland stark auf den privaten Pkw ausgerichtet. Ein „System der Automobilität“ (Kutter 2014:8) ist entstanden. Die negativen Effekten dieser Entwicklung, die unter anderem Emissionen, Verkehrsunfälle sowie die Autoabhängigkeit umfassen, machen nicht nur technische Lösungsansätze notwendig, sondern bedürfen auch im Rahmen einer Mobilitätswende (Manderscheid 2020:39-40) einer weniger autoabhängigen Mobilität.
Einen Gegenpol im System der Automobilität und Vorbilder für eine nachhaltige und weniger autoabhängige Mobilitätspraxis bilden Personen, die freiwillig ohne eigenes Auto leben und mit dem Fahrrad, ÖPNV, Leih-Pkw oder zu Fuß mobil sind. Diese Personen haben sich bewusst gegen den Besitz eines Autos entschieden und sehen sich nicht durch finanzielle, gesundheitliche oder andere Gründe dazu gezwungen.
Zielsetzung
Ziel des im NRW-Forschungskolleg „ACCESS!“ angesiedelten Dissertationsprojektes ist es, ein tiefergehendes Verständnis über freiwillig autofreie Haushalte zu generieren. Dieses Wissen kann dazu dienen, die Mobilitätswende voranzutreiben und aufzeigen, wie unsere Gesellschaft und Mobilität weniger abhängig vom privaten Pkw sein kann. Daher wird im Rahmen der Arbeit erörtert, inwiefern autofreie Lebensentwürfe in einem autoorientierten Umfeld möglich sind und praktiziert werden. Fokussiert werden dabei die Mobilitätspraktiken und andere Alltagspraktiken der Mitglieder freiwillig autofreier Haushalte sowie deren Mobilitätsbiographien und Motive der Autofreiheit. Zudem wird auf die Lebenslagen der Personen sowie die Eigenschaften und Voraussetzungen der Wohnstandorte eingegangen.
Vorgehen & Methoden
Als Untersuchungsraum der Dissertation dient die Stadt Aachen, die im Jahr 2013 als Stadt mit autoorientierter Mobilitätskultur typisiert wurde (Klinger et al. 2013:25), sowie Kommunen in ihrem Umland. Methodisch stützt sich die Arbeit auf problemzentrierte Leitfadeninterviews als qualitative Forschungsmethode, die mit Personen aus freiwillig autofreien Haushalten mit unterschiedlichen Lebenslagen und Wohnstandorten geführt werden. Die Interviews werden ergänzt durch narrative Landkarten, die der Visualisierung der Alltagsmobilität der Interviewteilnehmenden dienen. Den konzeptionellen Rahmen der Arbeit bildet die Theorie der sozialen Praxis (Shove et al. 2012).
Referenzen
Klinger, T./Kenworthy, J. R./Lanzendorf, M. (2013): Dimensions of urban mobility cultures – a comparison of German cities. In: Journal of Transport Geography, 31, 18–29.
Kutter, E. (2014): Siedlungsstruktur und Verkehr: Zum Verständnis von Sachzwängen und individueller Verkehrserreichbarkeit in Stadtregionen. In: Canzler, W./Knie, A./Schwedes, O. (Hrsg.): Handbuch Verkehrspolitik. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 1–21.
Manderscheid, K. (2020): Antriebs-, Verkehrs- oder Mobilitätswende? In: Brunnengräber, A./Haas, T. (Hrsg.): Baustelle Elektromobilität: transcript Verlag, 37–68.
Shove, E./Pantzar, M./Watson, M. (2012): The dynamics of social practice. Everyday life and how it changes. Los Angeles, London, New Delhi, Singapore, Washington DC: Sage.